Jazzmusiker und Komponist Klaus Doldinger (*12.05.1936) arbeitete für drei Filme mit Schlöndorff zusammen: BAAL (1969), DER PLÖTZLICHE REICHTUM DER ARMEN LEUTE VON KOMBACH (1970/71) und PALMETTO (1998).
Verglichen mit herkömmlichen Heimatfilmmelodien, fällt der Soundtrack zu DER PLÖTZLICHE REICHTUM DER ARMEN LEUTE VON KOMBACH recht ungewöhnlich aus. Es erklingt bis auf wenige Ausnahmen keine volks-tümliche Musik, überliefertes Liedgut oder ländliche Harmonien um einen Anschein von Authentizität zu erwecken, sondern elektronisch bearbeitete, leichte Jazzmusik. Auch werden keine Geigen eingesetzt, die normalerweise mit der ländlichen Bevölkerung assoziiert werden, sondern verschiedene Schlaginstrumente, E-Bass, Harfen, Flöte, Orgel, Klarinetten und Trompeten.
Schlöndorff zufolge fiel die Entscheidung für diese Art von Musik ganz bewusst, um den üblichen Heimatfilm-Kitsch zu vermeiden. Die Musik diene dazu, das „Genre zu entstauben“ und die Geschehnisse aus heutiger Sicht zu kommentieren (Vgl. Schlöndorff im Video-Interview).
Somit wird auch auf musikalischer Ebene, den Bestrebungen des Neuen Heimatfilms, die deutsche Geschichte aus neuen Blickwinkeln zu betrachten und neue Formen von Heimatdarstellung zu finden, genüge getan.
Musik allgemein wird in diesem Film größtenteils nur dann eingesetzt, wenn Bewegung im Bild zu sehen ist. Nach dem Überfall im zweiten Teil des Films erklingt somit fast keine Musik mehr. Einzige Ausnahme bildet hier der Einsatz von diegetischer Musik (deren Quelle im Bild zu sehen ist und auch für die Figuren im Film zu hören ist) während der Hochzeitsfeierlichkeiten. Für mehr als fünf Minuten (mit kurzen Unterbrechungen) spielen zwei Geiger und ein Klarinettenspieler ein heiteres Motiv, welches die Gäste zum Tanzen einlädt. Durch das ständige Wiederholen derselben Noten wirkt das Motiv sehr eindringlich. Die Musik erfüllt hier die Funktion, Stimmung zu erschaffen.
Hauptthemen
Insgesamt lassen sich auf extra-diegetischer Ebene (Musik, die nur für den Zuschauer zu hören ist) zwei Hauptthemen ausmachen. Das erste Hauptthema begleitet leitmotivisch die Männer im Wald. Es handelt sich hierbei um eine perkussionlastige Komposition. Der unterlegte Bass erzeugt einen treibenden Charakter und steht somit im rhythmischen Einklang mit den durch den Wald rennenden Männern. Die Melodie wird von Flöten gespielt. Im Verlauf des Filmes kommen stellenweise, frei improvisierte Flötensoli hinzu.
Das zweite Thema dient als Leitmotiv für das „Goldkärrchen“. Von Trompeten gespielte Fanfarenmusik, kündigt das Erscheinen der Kutsche an und verweist gleichzeitig auf die kurfürstliche Obrigkeit des Landes.
Die zwei Themen erklingen oft direkt hintereinander oder gehen ineinander über. Sobald die Einstellung der Kamera von den Männern weg auf die Kutsche umschwenkt, ist die Fanfarenmusik zu vernehmen. Somit dient die Musik hier dazu, narrative Zusammenhänge herzustellen.
Ballade
Ebenso wie für BAAL vertonte Doldinger auch für diesen Film ein Gedicht in Balladenform. Das Lied Die Zeit ist reif, wir fahren nach Amerika wird zu Beginn des Films von Doldinger selbst gesungen. Mit dem Titel wird die Sehnsucht der Bauern nach einem besseren Leben ausgedrückt. Nach Erklingen des Liedes greift Ludwig Acker den Text im übertragenen Sinne auf und erzählt sehnsuchtsvoll, wie er sich das Leben als reicher Mann vorstellt.
Direkt nach dem erfolgreichen Überfall auf das „Goldkärrchen“ erklingt das Lied noch einmal, diesmal von hohen Flöten gespielt. Durch das Wieder-aufgreifen des Liedes an dieser Stelle wird betont, dass sich die Gruppe nun dem Traum von einem besseren Leben näher fühlt.